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Interview zum TOMMI-Kriterienkatalog mit Prof. Frauke Schade von der HAW
Warum gibt es einen Kriterienkatalog Kindersoftware?
Prof. Schade: „Der Medienexperte Thomas Feibel hat das Desiderat von Kriterien zur Bewertung von Kindersoftware identifiziert. Er hat den Auftrag an ein Projektteam mit 14 Studierenden des 5. Semesters im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HAW Hamburg im Wintersemester 2020/2021 vergeben. Ziel war die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Bewertung von guter Kindersoftware, die einerseits Bibliothekar*innen als orientierungsstarke Handreichung für die Erwerbung dient, aber auch für Kinder, Pädagog*innen und interessierte Eltern zugänglich sein sollte.“
Was verstehen Sie unter Kindersoftware?
Prof. Schade: „Kindersoftware ist an der Lebenswelt von Kindern orientiert und berücksichtigt ihre Bedürfnisse und Themen-Interessen. Sie bietet einen geschützten Raum, in dem sich Kinder sicher bewegen können und nicht von In-Game-Werbung angefixt werden oder ihre persönlichen Daten preisgeben. Kindersoftware ist intuitiv für die entsprechenden Altersgruppen erfassbar – sowohl intellektuell als auch im Hinblick auf die Fein-Motorik. Zu Kindersoftware gehört Lern- und Unterhaltungssoftware sowie elektronisches Spielzeug, wenn die Hardware durch Software ergänzt wird, z. B. durch Apps oder Programme. Dabei ist es nicht zwangsläufig so, dass Kindersoftware speziell für diese Zielgruppe entwickelt werden muss, sondern auch in anderen Nutzungskontexten entstanden sein kann.“
Wie sind Sie mit Ihren Studierenden vorgegangen?
Prof. Schade: „Die Studierenden haben zunächst den Forschungsstand erhoben. Untersucht wurde der Kindersoftware-Markt – Anbieter, Nachfrager und Marktdynamik. Darüber hinaus haben die Studierenden bereits existierende Kriterien zur Bewertung von Kindersoftware anderer Institutionen evaluiert. Um ein Gefühl für Bewertungskriterien zu entwickeln, war es wichtig, dass das Projektteam eigene Erfahrungen mit Kindersoftware macht. In strukturierten Softwaretests wurden daher im Anschluss über 80 digitale und elektronische Anwendungen getestet und anhand von Testprotokollen ausgewertet. Für ein umfassenderes und aktuelles Verständnis der Forschungsfrage wurden darauf aufbauend rund 20 Expert*innen-Interviews mit Kindern, Spieleentwickler*innen, Medienpädagog*innen, Kinder- und Jugendschützern sowie Lehrer*innen, Erzieher*innen und Bibliothekar*innen durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Entstanden ist ein Kriterienkatalog mit rund 250 Kriterien zu den Aspekten Sicherheit, Technik, Spielspaß, Inhalt, Design und pädagogischer Wert.“
Was waren die besonderen Umstände dabei?
Prof. Schade: „Das Projekt fand aufgrund der Corona-Pandemie ausschließlich digital statt. Das Projektteam traf sich wöchentlich via ZOOM. Zu den Teammeetings wurden auch Expert*innen, wie die Medienpädagogin Vera Marie Rodewald oder der Auftraggeber Thomas Feibel eingeladen, die einen Einblick in die Lebenswelt, Sozialisation und das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen gaben. Das Projektmanagement wurde mit Microsoft Teams, kollaborative Arbeiten – wie die Entwicklung des Forschungsdesigns für die Expert*inneninterviews oder die Zusammenstellung des Kriterienkatalogs – über GoogleDrive realisiert. Der Austausch untereinander fand zudem über die Lernplattform Moodle oder in WhatsApp-Gruppen statt. Gerade weil die persönliche Begegnung nicht möglich war, legte das Projektteam von Beginn an viel Wert darauf, dass auch der soziale Austausch nicht zu kurz kam. So wurde bei den Team-Meetings auch gemeinsam gespielt oder sich über aktuelle Themen und Probleme ausgetauscht.“
Ist der Kriterienkatalog abgeschlossen?
Prof. Schade: „Der Kindersoftware-Markt entwickelt sich beständig weiter. Neue Anwendungen, Formate und Mechaniken kommen auf dem Markt. Durch die Corona-Pandemie ist zudem zu erwarten, dass der Kindersoftware-Markt neue Impulse erhält und sich nochmals deutlich beschleunigt.“
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die aus dem Kriterienkatalog gezogen haben?
Prof. Schade: „Die wichtigste Erkenntnis ist simpel: Mögliche Bewertungskriterien sind so vielfältig, wie die verschiedenen Typen, Inhalte und Formate von Kindersoftware. Das wichtigste Kriterium ist jedoch, dass Kindersoftware Kindern Spaß macht. Darin waren sich die befragten Expert*innen und das Projektteam einig.“
Welchen Preis hat das Projekt gewonnen?
Prof. Schade: „Das Projekt hat 2021 den TIP-Award – Team Award Information Professionals – gewonnen. Der Preis zeichnet studentische Teamleistungen aus, die einen innovativen Beitrag zur konkreten Lösung von Fragenstellungen der digitalen Transformation in der Berufspraxis von Bibliotheken und Informationseinrichtungen liefern. Der Preis wird von der Fachzeitschrift b.i.t online, Schweitzer Fachinformationen und der KIBA – der Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge, Sektion 7 im Deutschen Bibliotheksverband und Ausbildungskommission der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen verliehen.“